Wirkungsvolle Agilität mit Scrum – Auftragsklärung

Jacob Brügmann  /  24.01.23  /  Digitale Transformation

 

Auftragsklärung zur Entfaltung einer wirkungsvollen Agilität

In meiner Vergangenheit habe ich Projekte erlebt, in denen es keine Auftragsklärung gab und keine Ziele definiert wurden. Vielleicht erscheint dieses im ersten Moment vor Projektbeginn aufwendig und schwierig zu meistern. Eine Klärung hilft jedoch, Missverständnissen vorzubeugen und an einem Strang zu ziehen.

Aus diesem Grund erfolgt eine Auftragsklärung, bevor ein Softwareentwicklungsprojekt startet. Ein Aspekt dabei ist zu verstehen und sich zu verständigen, was das agile Vorgehen für eine Wirkung erzielen soll.

Die Bereiche, die sich durch die Einführung von Agilität verbessern können, sind vielfältig.

Es kann beispielsweise in der Vergangenheit dem Unternehmen nicht gelungen sein, schnell genug auf Veränderungen des Marktes reagieren zu können. Ebenfalls ist es möglich, dass viel Zeit für die Entwicklung neuer Produkte (Time To Market) benötigt wird. Eine lange Entwicklungszeit ist in der Kombination mit fehlender Kundennähe ein großes finanzielles Risiko. So erzählte mir ein Scrum Master von hochpreisigen Produkten aus der Medizintechnik, die aufwendig und technisch hochwertig entwickelt wurden. Nach Markteintritt wurden jedoch keine Abnehmer gefunden. Daraus ließ sich eine zwingende wirtschaftliche Notwendigkeit ableiten, heute anders zu arbeiten. Mit Hilfe früherer und regelmäßigerer Feedbackschleifen der Benutzer des Produktes konnte der Kundenfokus erhöht werden.

Agilität kann erst wirkungsvoll werden, wenn sowohl dem Auftraggeber als auch Auftragnehmer das Problem und die angestrebte Wirkung bewusst sind.

Auftragsklärung mit dem Kunden vor einem Softwareentwicklungsprojekt

Im Erstgespräch mit dem Kunden ist die gewünschte Wirkung von Agilität noch unspezifisch oder unklar. So kann es vorkommen, dass sich der Kunde wünscht, die Software agil entwickeln zu lassen. Die Verlockung ist groß, die Auftragsklärung abzukürzen und den Auftrag direkt anzunehmen. In der Auftragsklärung geht es jedoch darum, das Problem für die Lösung zu finden.

Wie kann eine Auftragsklärung mit dem Kunden vor einem Projekt gelingen?

Folgende Schritte können in einem Gespräch Orientierung geben:

1) Kontext verstehen

  • Wie ist die Idee zum Projekt entstanden?
  • Wer sind die Stakeholder für das Projekt?
  • Wie wird Software bisher entwickelt und welche Erfahrungen wurden gemacht?

2) Probleme identifizieren

  • Für welche Probleme ist Agilität die Lösung?
  • Was soll konkret anders werden durch Agilität?
  • Wie lange und warum bestehen die Probleme?

3) Probleme bewerten

  • In welchen Bereichen soll eine Verbesserung herbeigeführt werden?
  • Wie schätzt man sich aktuell ein? (Skalenfrage, z. B. 0 bis 10)
  • Wie wird die Verbesserung gemessen?

Sollte es in der Auftragsklärung nicht gelingen, die Probleme zu identifizieren, hat Marc Löffler in seinem Buch “Die Scrum Master Journey” 12 Bereiche beschrieben. Diese können eine Gesprächsgrundlage für den entsprechenden Unternehmenskontext bieten.

Dazu zählen neben der oben genannten “Reaktion auf Veränderungen”, “Time To Market” und “Kundennähe” unter anderem:

  • Effizienz: Die Effizienz des Unternehmens soll gesteigert werden.
  • Effektivität: Das Unternehmen und deren Teams sollen am „Richtigen“ arbeiten.
  • Qualität: Die Qualität der Arbeitsergebnisse soll gesteigert werden.
  • Kundenzufriedenheit: Die Kundenzufriedenheit soll gesteigert werden.
  • Kontinuierliche Verbesserung: Die Haltung eines ständigen Verbesserungsprozesses soll eingenommen werden.

Beim Identifizieren der Probleme ist eine große Sammlung möglich. Der Scrum Master kann z. B. mit Fragestellungen den Raum für Erkenntnisse öffnen. Wichtig ist im Anschluss eine Fokussierung auf die wichtigsten und dringendsten Bereiche, in denen sich das Unternehmen verbessern möchte. Die Priorisierung sollte durch den Kunden erfolgen, wobei der Scrum Master bei dem Entscheidungsprozess unterstützen kann. Zuletzt folgt eine Selbsteinschätzung zu den priorisierten Problemen und eine Klärung, wie die Verbesserung gemessen wird.

Die Ableitung von Maßnahmen zur Problemlösung kann in einem separaten Termin erfolgen.

iterationen

Bei der Auftragsklärung hilft nicht der Anspruch auf Perfektion, sondern es als eine inkrementelle und iterative Entwicklung zu verstehen. Vielleicht bedarf es einer Anpassung der Maßnahmen, ergibt sich eine zufriedenstellende Verbesserung oder es werden dringendere Probleme identifiziert.

Scrum bietet mit seinen Events den Rahmen für regelmäßige Feedbackschleifen zur Inspizierung sowie Anpassung. Aus der Auftragsklärung in der ersten Iteration entwickeln sich aufbauend angepasste Versionen.

Warum Agilität in der Softwareentwicklung wirkungsvoll sein kann

Die Anforderungen (Was?) sowie die Technologie (Wie?) sind vor Projektbeginn nicht sicher oder man ist lediglich überzeugt, diese zu kennen. Zudem spielen externe Faktoren eine immer wesentlichere Rolle. Die Corona-Pandemie, Lieferketten-Probleme oder Klimakrise sind in den vergangenen Jahren omnipräsent. Deshalb ist im Rahmen der Softwareentwicklung ein Ansatz nach dem Wasserfall-Modell immer weniger passend. Bei uns hat sich ein agiles Vorgehen mit Scrum als hilfreich erwiesen. So lässt sich für den Kunden schnell eine erste benutzbare Version entwickeln. Durch Feedbackschleifen lassen sich weitere Versionen entwickeln, die inspiziert und angepasst werden können.

In Kürze zu mir und dem Hintergrund des Themas

Seit über vier Jahren arbeite ich für die Consist. Vor zwei Jahren konnte ich erste Erfahrungen als Scrum Master in einem Softwareentwicklungsprojekt sammeln. Zunächst als Job Shadow, später in voller Verantwortung. Neben dieser Erfahrung schärfe ich meinen Blick auf Agilität durch Trainings, Podcasts, Artikel und Bücher sowie den Austausch mit der agilen Community.

Mein Anspruch an mich als Scrum Master ist es, einen Wert zu leisten und nicht Scrum zum Selbstzweck einzuführen. Es reicht nicht aus lediglich das Ziel zu verfolgen, agil arbeiten oder Scrum einführen zu wollen. Vor Projektbeginn ist ein erster wertvoller Schritt die Auftragsklärung mit dem Kunden, um wirkungsvolle Agilität erreichen zu können.

Ich bedanke mich bei Ralf Kruse, Armin Schubert, Dr. Jürgen Hoffmann (“Mentos”), Stefan Roock, Marc Löffler, Fabian Schaub, Jana Hück und Andrea Schwarz für eure Perspektiven sowie den Austausch zu dem Thema.

Mit Sicherheit gibt es noch weitere Bereiche oder eine andere Sicht auf das Thema. Ich freue mich auf eine Diskussion, um meine Perspektiven zu erweitern und weiter zu lernen.